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Wenn Sturheit sich auszahlt

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Marco Marchesi, Verwaltungsratspräsident der CymbiQ Group AG, im Interview mit Ergon. Dieses Interview ist erschienen im Ergon Magazin SMART insights 2021.

Marco Marchesi ist Verwaltungsratspräsident der CymbiQ Group AG, die integrierte Sicherheitslösungen und Cyber Risk Resilience anbietet. Mit Gespür und Commitment brachte er es vom Elektrotechniker zum Mitgründer und CEO mehrerer Firmen. Alles begann mit einer Vision, die er seinem Chef stur verkaufen wollte und die ihn fast Kopf und Kragen gekostet hat. Dass er richtig lag, erfuhr er erst Jahre später auf einer Liftfahrt, indem er ein magisches Wort sagte: Cybersecurity.

Herr Marchesi, sind Sie eher Unternehmer oder IT-Experte?

Erstmal bin ich Unternehmer. Digitalisierung zwingt aber jede:n Unternehmer:in dazu, sich ein gutes IT-Verständnis anzueignen. Ich selbst machte ein Elektrotechnikdiplom und war dann Application Engineer bei einem Tech Start-up, das zwei Mal kurz vor dem Konkurs stand. Da begriff ich, wie stark Technologie und Business voneinander abhängen. Also hängte ich einen Abschluss als Wirtschaftsingenieur an.

Den IT-Security-Trend haben Sie früh erkannt.

Ich ging als Consultant und Projektleiter zu einem Experten für LAN-Netzwerke. Wir setzten früh auf Firewalls und 1997 witterten wir einen Trend. Wir gingen zu meinem Chef und schlugen die Gründung einer IT-Security-Abteilung vor. Er lehnte ab, doch ich blieb stur und wir stritten stundenlang. Spätabends willigte er ein, ohne Budget, und schmiss mich aus dem Büro (lacht).

Ohne Budget – wie geht das?

Einige unserer Berater:innen setzten wir in lukrativen Mandaten ein. Mit dem Gewinn bauten wir die Abteilung auf. So lernte ich, unternehmerisch zu denken. Schnell erhielten wir grandioses Feedback. Dies gab den Ansporn, sich selbstständig zu machen; und so gründete ich um die Jahrtausendwende mit fünf Partnern ISPIN.

«Integrität, Vertrauen, Verbindlichkeit und Menschlichkeit – man muss einen Raum schaffen, in dem Menschen über sich hinauswachsen wollen.»
Marco MarchesiVRP, CymbiQ Group AG

Was war der damalige Fokus von ISPIN?

IT Security. Als wir ISPIN gründeten, beschäftigten sich alle nur mit Firewalls. Doch wir sahen Zukunft in unserem holistischen Ansatz, der Mensch, Technik und Organisation mit einbezieht. Wir glaubten daran, obwohl wir merkten, dass wenige in der Branche begriffen, was wir genau tun.

Und wie haben Sie es verständlich gemacht?

Das war Jahre später an einem Forum, als ich mit einem fremden Geschäftsmann im Lift war. Er fragte, was ich mache. Meine Antwort: «Cybersecurity.» Er: «Das klingt nach einem Film, den ich schauen will.» Er gab mir seine Visitenkarte und stieg aus. Ich war völlig verwirrt. 15 Jahre lang habe ich mir überlegt, wie ich erkläre, was ich mache, und kein:er hat es begriffen. Jetzt sage ich Cybersecurity und man versteht es.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kunden bei ISPIN?

Wir erhielten zu Beginn gleich einige Grossaufträge. Und das, obwohl ich die allererste Anfrage abgelehnt hatte – wir offerierten ein globales VPN für 400K, doch der Kunde wollte nur 150K bezahlen und ging zur Konkurrenz. Einige Monate später rief er an und bat uns, die Fehler der Mitstreiter geradezubiegen.

Klingt nach einem Traumstart?

Ja, aber wir haben in der Euphorie vergessen, zu akquirieren, und 2003 waren wir fast pleite. Wir litten alle, geschäftlich wie persönlich, und waren ohne Investoren. Mit der Zeit haben wir gelernt, stetig profitabel zu wachsen. Bereits 2006 haben wir aber realisiert, dass wir zu langsam wachsen, wenn der Markt sich so weiterentwickelt.

Also gingen Sie auf offensive Akquisition?

Ich suchte keine blossen Geldgeber, sondern langfristige Partner, die uns strategisch wie menschlich gut ergänzen. 2010 akquirierte ich den ersten privaten Investor. 2018 kam eine inhabergeführte Private-Equity-Firma dazu und wir gründeten die CymbiQ Group AG, die heute als Muttergesellschaft von ISPIN die Konsolidierung im europäischen Markt vorwärtstreibt. Bisher kauften wir bereits drei Firmen dazu.

Wie prüft man Unternehmen in der Akquisitionsphase?

Nach 25 Jahren als Unternehmer – und ehemaliger Eishockeyspieler – habe ich ein Gespür für mannschaftliche Dynamik, ja Teamspirit entwickelt. Dadurch erfasse ich die betriebliche Atmosphäre eines Unternehmens sehr schnell – meist merke ich es an der Führungsriege selbst, manchmal schon am Verhalten ihrer Assistent:innen.

Ist Teamspirit ein Thema bei der Zusammenarbeit mit Airlock?

Ja. Am meisten schätze ich, dass wir uns stets aufeinander verlassen können. Und dass wir eine offene, ehrliche Kommunikation miteinander pflegen.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Zuerst wollen wir mit der CymbiQ Group zum führenden Cybersecurity-Serviceprovider von Europa avancieren, mit klarem Fokus auf die DACH-Region. Ich bin überzeugt, dass es einen solchen führenden Provider aus der Schweiz geben sollte. Weiter werde ich mein Engagement als Investor, Verwaltungsrat in Unternehmen und Start-ups ausbauen.

Ihre Führungsprinzipien?

Integrität, Vertrauen, Verbindlichkeit und Menschlichkeit – man muss einen Raum schaffen, in dem Menschen über sich hinauswachsen wollen. Am Ende vom Tag ist alles nur eine Frage des Commitments. Mein Jugendtrainer Vladimír Kobranov sagte mal zu mir: «Wenn du Eishockey spielen willst, bleib hier. Sonst geh nach Hause.»

Einen Tipp für Jungunternehmer:innen?

Wenn du dir sicher bist, dann mach es einfach. Denn innerlich ist man meist schon Unternehmer:in, bevor man Unternehmer:in wird.

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Reiner Höfinger

Marketing & Communications